Philosophieren im Alltag der Sozialarbeit
Sozialarbeiter*innen erwerben in ihrer Ausbildung ein breites fundiertes Wissen im sozial- und berufspädagogischen Arbeitsfeld.
Doch die Profession Soziale Arbeit ist im Wandel. Digitale Medien gehören zum Alltag der Menschen und so erweitert sich auch das Aufgabenspektrum von Sozialarbeiter*innen bzw. Youth-Worker hinein in die digitale Welt.
In diesem Projekt wollen wir den Erwerb berufsrelevanter fachtheoretischer Kenntnisse erweitern und den Transfer und die Umsetzung in die Praxis unterstützen. Es geht dabei vor allem um die Entfaltung und Entwicklung der persönlichen Handlungskompetenzen der Youth-Worker und Sozialarbeiter*innen im Bereich der Digitalisierung.
Internet – das bedeutet Spiel, Spaß, Unterhaltung, Kommunikation, Vernetzung und Informationen. Es birgt aber auch Risiken und Gefahren. Aus diesem Grund müssen auch Sozialarbeiter*innen lernen Kinder und Jugendliche im Gebrauch des Internets zu begleiten, sie zu beraten, zu sensibilisieren, aufzuklären und Jugendliche ganzheitlich zu stärken. Das Internet als neues Handlungsfeld in der Sozialen Arbeit stellt Sozialarbeiter*innen vor neue Herausforderungen.
Das Projekt „Pornografie- Kompetenz im Alltag der sozialen Arbeit“ beschäftigt sich mit den Folgen und Problemen von Internetpornografie und Sexting im Alltag der Sozialen Arbeit. Durch die Verbreitung des Internets sind Darstellungen von Erotik, Sexualität und Pornografie einem breiten Publikum zugänglich. Unbegrenzt und jederzeit ist Pornografie konsumierbar und gesellschaftliche Tabuisierung, Grauzonen der Legalität und Angst vor Entdeckung schwingen mit.
Studien weisen darauf hin, dass ca. 48 Prozent der Internetbenutzer*innen zwischen 11 und 16 Jahren Pornos gesehen haben, denn auch Kinder und Jugendliche geraten beim nicht zielgerichteten Surfen im Internet immer häufiger auf Pornoseiten.
„Über das sexuelle Verhalten und Erleben von Jugendlichen in Offline- und Online-Welten wird viel spekuliert, gerade mit Blick auf Risiken und Gefahren. Alarmistischen öffentlichen Debatten stehen dabei eher entdramatisierende Eckdaten zur Jugendsexualität gegenüber. Viele Detailfragen dazu, wie Jugendliche aller Geschlechter in ihren jeweiligen Lebenswelten mit den vielfältigen sexuellen Entwicklungsaufgaben umgehen, und vor allem, welche Bedingungen und Ressourcen (online wie offline) dabei von ihnen als besonders hilfreich und förderlich für ihr sexuelles Wohlbefinden erlebt werden, sind bislang empirisch offen.“
Die Sexualität der Heranwachsenden hat sich zwar grundsätzlich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, dennoch können digitale Medien auch großen Einfluss auf die sexuelle Entwicklung junger Menschen haben.
Jugendliche haben eine offene und neugierige Haltung und im Netz erhalten sie auf brennende Fragen meist schnelle Antworten. Mitunter werden sie auch durch den leichten Zugang zu pornografischen Materialien mit „sexueller Gewalt“, „Grooming“ und „Sexting“ konfrontiert.
Youth-Worker und Sozialarbeiter*innen sind also immer mehr gefordert, sich nicht nur mit Internetsucht, dem Problem der exzessiven Nutzung von Onlinespielen, mit Cybermobbing, sondern sich auch mit Internetpornografie und Sexting kritisch auseinanderzusetzen. Der Beratungsbedarf ist hoch. Fachspezifische Kompetenzen sind unbedingt notwendig um, vor allem auch junge Menschen sowie benachteiligte Bevölkerungsgruppen einerseits zu unterstützen, damit sie Chancen und Möglichkeiten der digitalen Medienwelt effektiver ausschöpfen können und andererseits sie zu befähigen um, verantwortungsbewusst mit neuen Technologien umgehen zu können.
Ziel dieses Projektes ist es Youth-Worker und Sozialarbeiter*innen zu stärken, um kompetent die neuen Aufgaben und Herausforderungen im Bereich der neuen Technologien erfüllen zu können und Verantwortung wahrzunehmen, vor allem auch, wenn es sich um Tabuthemen, wie Pornografie handelt.
Das Handbuch zum Philosophieren bietet Materialien, Diskussionspläne sowie Übungen und unterstützt Sozialarbeiter*innen, indem sie Anregungen dieses Handbuches in ihre Arbeit einfließen lassen.
Tragfähige Beziehungen zwischen Sozialarbeiter*innen, Youth-Worker und den Menschen, die sie betreuen, aufzubauen sind für die Soziale Arbeit grundlegend und sehr bedeutsam.
Doch wie können Beziehungen im Rahmen der Sozialen Arbeit bewusst aufgebaut bzw. gestaltet werden, vor allem auch, wenn es sich um Tabuthemen wie Internetpornografie handelt? Welche Haltung, welches Vorwissen und welche Kompetenzen braucht es seitens der Youth- Worker im sicheren und kritischen Umgang mit den digitalen Technologien, die für die Information, Kommunikation und Problemlösungsstrategien in allen Lebensbereichen genutzt werden?
Voraussetzungen dafür sind eine aufgeschlossene Haltung, die Neugierde Neues zu lernen und auszuprobieren, sowie die Bereitschaft von Kindern und Jugendlichen zu lernen. Wertschätzung, Akzeptanz, Empathie sowie Know-How sind erforderlich für das Führen vertiefter Diskussionen und tiefer gehender Gespräche.
Je besser die Gesprächsbasis der Kinder und Jugendlichen zu Erwachsenen ist und je mehr sie über potentielle Risiken Bescheid wissen, desto besser sind sie auch geschützt. Der philosophische Dialog bietet dazu eine gute Möglichkeit. Darüber hinaus geht es dabei um Stärkung der Persönlichkeit und um Förderung des autonomen Denkens. Ziel ist es, das kritische, kreative und einfühlsame („Caring Thinking“) Denken zu fördern und dadurch einen sicheren, kritischen, verantwortungsvollen Umgang mit den digitalen Technologien zu ermöglichen.
Wie kann die eigene Persönlichkeit, vor allem bei Kindern und Jugendlichen gestärkt, werden, sodass Heranwachsende kritisch und nicht so leicht beeinflussbar sind sowie ihren eigenen Weg finden, um sich in der digitalen Gesellschaft zurechtzufinden? Wie kann zur aktiven Partizipation angeregt werden? Wie kann die Förderung Pornografie-bezogener Medienkompetenz in der konkreten Praxis umgesetzt werden?
Das Philosophieren kann beispielsweise dabei helfen mit Jugendlichen in Beziehung zu treten und einen Zugang zu finden – auch im Falle sexistischer Sprüche und grenzüberschreitenden Verhaltens. Es geht darum Jugendliche ernst zu nehmen und sich auch mit den Inhalten ihrer Aussagen auseinander zu setzen, es ist ein sich Annähern und ein Thematisieren in einer altersadäquaten Sprache. Besonders wichtig ist der wertschätzende Umgang miteinander.
Die Philosophie hilft schließlich auch dabei verfahrene Debatten aufzubereiten, um Beteiligten die Voraussetzungen und Konsequenzen ihrer eigenen Positionen deutlich zu machen. Wenn das gelingt und die so Angesprochenen zu einer konsistenten und durchdachten Position finden, kann diese zu einer nachhaltigen Veränderung führen.
Dass junge Menschen eine Stimme erhalten und der Schwerpunkt auf die Auseinandersetzung und den Austausch von Ideen im Rahmen des philosophischen Dialogs gelegt wird, trägt dazu bei, ihre kritische Haltung und ihr Selbstvertrauen zu stärken. Durch die Stärkung ihrer Sozial- und Reflexionskompetenzen werden ihre Selbstschutzfaktoren und ihre Fähigkeit gefördert.
Der philosophische Dialog ist Teil einer ganzheitlichen Methode zur Gesundheitsförderung, in dem Präventionsbotschaften aktiv unterstützt werden, die im Rahmen der Frühprävention eingeleitet werden können.
„Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Gesundheit insgesamt, mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden. Sie ist ein Zustand des körperlichen, emotionalen, mentalen und sozialen Wohlbefindens in Bezug auf die Sexualität und nicht nur das Fehlen von Krankheit, Funktionsstörungen oder Gebrechen.
Sexuelle Gesundheit setzt eine positive und respektvolle Haltung zu Sexualität und sexuellen Beziehungen voraus sowie die Möglichkeit, angenehme und sichere sexuelle Erfahrungen zu machen, und zwar frei von Zwang, Diskriminierung und Gewalt. Sexuelle Gesundheit lässt sich nur erlangen und erhalten, wenn die sexuellen Rechte aller Menschen geachtet, geschützt und erfüllt werden.
Es bleibt noch viel zu tun um sicherzustellen, dass Gesundheitspolitik und -praxis dies anerkennen und widerspiegeln.“
Nicht wenige Youth-Worker sehen die Ziele sexueller Gesundheit durch eine zunehmende Pornografisierung jugendlicher Lebenswelten in Gefahr.
Das vorliegende Handbuch „Living together“ enthält Materialien, um Sozialarbeiter*innen bei Interaktion, Kommunikation und Beratung zu unterstützen und ihnen verschiedenste Interventionsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ziel ist es, auch unterschiedlichste Impulse zu geben, die das in Beziehung treten ermöglichen und Beziehungen durch Interaktion vertiefen.
Zur Förderung der Pornografie-Kompetenz bei Sozialarbeiter*innen bzw. Youth-Worker bedarf es dabei aber einer sehr individuellen Übersetzung und Konkretisierung – abgestimmt auf Kontext und Zielgruppe.
„Living together“ enthält Einführungen, Diskussionspläne, Übungen, Aktivitäten sowie Literatur und Arbeitsmaterialien, zu den jeweiligen Themen: Empathie, Freundschaft, Gefühle, Körper, Liebe, Respekt, Verantwortung, Virtualität, Identität, Transgender/Queer.